Alle Jahre wieder

Geschrieben von Berthold Glauer-Voß | Veröffentlicht in Schlei.Journal | am

In der Vorweihnachtszeit erreicht mich ein Anruf von meiner Freundin Petra. Sie möchte einen Tipp von mir. Petras Frage ist: Wie feiere ich entspannt mit meiner Familie schöne Weihnachten? Mit Familie meint Petra zunächst Ihren Mann Theo und ihren Sohn Max. Aber natürlich auch ihre Eltern in Köln, ihren Bruder und seine neue Freundin in Hamburg und ihre Schwester in Lübeck, die am ersten Weihnachtstag Dienst im Krankenhaus hat. Ihr Bruder kann Theos „Sippe“ nicht ab. Diese besteht aus Theos getrennt lebenden Eltern und dem Besserwisser-Bruder aus der IT-Branche.

Theos Vater lebt mit neuer Partnerin in Hannover, und seine Ex-Frau, also Theos Mutter, wohnt in einer 50-plus-Wohngemeinschaft bei Köln. Dann gibt es noch Steffi in Bielefeld, die alleinstehende Patentante von Max. Und Petras Oma in einer Seniorenwohnanlage bei Münster. Und den Kumpel von Theo, der gerade ziemlich durchhängt – der soll auch schö- ne Weihnachten haben. Alle sollen schöne Weihnachten haben! Keiner soll enttäuscht und alleine an Weihnachten sein! Max ist übrigens in der Pubertät und hat gerade so richtig Bock auf nichts. Chillen ist noch okay, und zu Weihnachten möchte er unbedingt das neue iPhone. Herausfi nden, was man wirklich möchte. Ich: „Prima Petra, da gibt es bestimmt eine Lösung...!“ Petra: „Berthold, ich wusste es, dann legt mal los …!“ Ich: „Ich meinte es ironisch. Weihnachten ist zwar das Fest der Familie, aber doch nicht von dieser – verteilt auf drei Tage! Familiäre Pflichttermine an den Weihnachtstagen müssen erträglich und umsetzbar bleiben. Sag mal, wie möchtest DU denn dieses Jahr Weihnachten erleben?“ Petra: „Puh…! Da erwischt du mich jetzt. Ganz ehrlich möchte ich eigentlich mal mit Mann und Kind ganz entspannt auf dem Sofa rumlümmeln, den kleinen Lord sehen, nett essen und die Seele baumeln lassen – und nicht quer durch die Republik fahren.“ Ich: „Genau so machst du es in diesem Jahr! Alles andere ist zu viel des Guten. Ich erinnere mich noch gut an euren Weihnachtsreisemarathon im letzten und vorletzten Jahr. Danach warst du immer platt und urlaubsreif. Aber im Büro musstest du dann noch den Jahresabschluss machen, und dann kam immer diese fette Erkältung, die du von Silvester bis mindestens Aschermittwoch mit dir rumgeschleppt hast!“ Petra ist von meiner Idee nur zum Teil begeistert. Immerhin hat sie sich entschieden nur am zweiten Weihnachtstag zu Verwandten zu reisen, und im nächsten Jahr möchte sie alle zu sich an die Schlei einladen. Je mehr der Heilige Abend mit Erwartungen überladen wird, desto schwieriger scheint es, tatsächlich ein friedliches Fest zu feiern. Wer sich besonders viel vornimmt, wird auch besonders schnell enttäuscht. Der Druck, alles perfekt zu machen und allen gerecht zu werden, provoziert bei den Beteiligten Spannungen und Ärger. Dazu kommt, dass die häufig ungewohnte Nähe Konfl ikte leichter hervortreten lässt.

Frühzeitig Wünsche äußern

Haben Sie vor, Weihnachten mal alleine und ohne Großfamilie zu verbringen, sollten Sie dies frühzeitig kundtun und Ihre Gründe ehrlich offen legen. Für dieses Jahr ist es für so eine Mitteilung vielleicht schon zu spät. Die Wünsche der Verwandten, Kinder, Enkel, die eigenen Eltern und Geschwister sehen zu wollen, können meist kurzfristig nicht mit gutem Gefühl verneint werden. Aber Sie könnten es sich für das nächste Jahr vornehmen. Oder Sie machen es wie Petra und laden zu sich nach Hause ein. Ist von Konfl ikten bei typischen Familienthemen auszugehen, können eingeladene Freunde die Familienbindung auflockern und Konfl iktklassiker werden so eher unterbunden. Allgemein gilt: Tauschen Sie sich rechtzeitig über Ihre Erwartungen und Wünsche aus!